Clerical Medical – Ansprüche von mehreren Hundert Millionen Euro

Am 11.Juli 2012 zeigte sich, warum deutsche Versicherer es regelmäßig vermeiden, die Auseinandersetzungen mit ihren Kunden durch den Bundesgerichtshof prüfen zu lassen. Die britische Lebensversicherung Clerical Medical Investment Group Ltd. schätzte auch in diesem Punkt die Verhältnisse in Deutschland falsch ein und ließ es gleich in fünf Fällen auf Urteile des höchsten deutschen Zivilgerichts ankommen – ein großer Fehler, wie sich bei der Verkündung der Urteile herausstellte.

Der Bundesgerichtshof bedankte sich gleich eingangs der Verhandlung, an der das Mitglied des Vereins für Verbraucherrechte e.V., Rechtsanwalt Tobias Pielsticker, als Vertreter einer der Kläger teilnahm, dafür, endlich einmal über die Ansprüche gegen Clerical Medical verhandeln und entscheiden zu können. Frühere Anläufe hatte die Versicherung jeweils in letzter Sekunde vereitelt.

Der zuständige Versicherungssenat nutzte die Chance für eine möglichst umfassende Prüfung der Sachverhalte. Das Ergebnis fiel für Clerical Medical niederschmetternd aus. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Pielsticker bedeuten die Feststellungen, die der BGH gestern im Rahmen der Urteilsbegründung bekannt gab, zu den beiden entscheidenden Punkten einen Sieg für die deutschen Verbraucher.

Erstens hält das Gericht Clerical Medical regelmäßig für verpflichtet, alle Leistungen zu erbringen, die ohne Vorbehalt in den Versicherungspolicen ausgewiesen sind. Die Versicherung versprach den deutschen Kunden insbesondere in den Jahren von 1998 bis 2003 hohe Auszahlungen aus den Versicherungen, die in vielen Fällen auch in den Versicherungspolicen ausdrücklich ausgewiesen wurden. Später wollte Clerical Medical diese Zusagen aber als unverbindlich ansehen. Dem widersprach der BGH klar.

Zweitens und unabhängig davon dürften nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs in den meisten Fällen auch Schadensersatzansprüche gegen Clerical Medical bestehen. Der Versicherungssenat ging nach dem Vortrag der Kläger davon aus, dass mit überhöhten Renditen geworben und nicht ausreichend über die Funktionsweise der Lebensversicherungsverträge aufgeklärt worden sei. Gerade Letzteres dürfte unmittelbar die Informationsunterlagen der Clerical Medical betreffen, die auch nach der Einschätzung der Anwälte völlig unverständlich gestaltet waren. In diesem Fall könnten sich nahezu alle deutschen Kunden auf die Bewertung des Bundesgerichtshofs berufen.

Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs belegen, dass Clerical Medical schon bei ihrem Eintritt in den deutschen Markt die Verhältnisse hierzulande falsch beurteilt hatte. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH verteidigte sich die Versicherung damit, dass sie die Vermittlung der Lebensversicherungen selbständigen Distributoren und Versicherungsmaklern überlassen habe. Damit seien diese und nicht Clerical Medical für die Aufklärung der deutschen Kunden verantwortlich gewesen. Dieser eigenwilligen Einschätzung mochte sich der BGH nicht anschließen.

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Pielsticker dürften die deutschen Kunden der Clerical Medical nach den gestrigen Urteilen über Ansprüche gegen die Versicherung von mehr als 600 Mio. Euro verfügen, wenn man sowohl die Schadensersatzforderungen als auch die Ansprüche aus den Versicherungspolicen berücksichtigt. Genaue Zahlen kennt allerdings nur die Versicherung selbst. Sie hat hierfür rund 200 Mio. Euro zurückstellen lassen – allerdings vor der Verhandlung beim Bundesgerichtshof.

Die Mitglieder des Vereins für Verbraucherrechte e.V. empfehlen Geschädigten der Clerical Medical, sich möglichst bald über ihre Rechte beraten zu lassen.

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